Singschule
9. Dezember
Zur Mitte der Woche sehen wir ein Fensterbild von Familie Gonsior aus dem Bachviertel. Es strahlt schon die weihnachtliche Ruhe aus, die wir uns gerade mit Blick auf die bevorstehenden Wochen herbeisehnen. Pfarrer Martin Hundertmark bringt Ihnen die Entstehungsgeschichte und Bedeutung des Adventsliedes “Es kommt ein Schiff, geladen” näher. Ein Moment der Einkehr und der Besinnlichkeit.
Tagesgebet: Lieber Gott. Wir bitten dich heute für alle ängstlichen Menschen. Schenke ihnen Mut und Kraft, ihre Angst zu überwinden. Amen.
Wochenchoral: O komm, o komm du Morgenstern, Strophe 1
O komm, o komm, du Morgenstern,
lass uns dich schauen, unsern Herrn.
Vertreib das Dunkel unsrer Nacht
durch deines klaren Lichtes Pracht.
Freut euch, freut euch, der Herr ist nah.
Freut euch und singt Halleluja.
Gedanken zur Entstehung des Liedes „Es kommt ein Schiff geladen“, Evangelisches Gesangbuch Nr. 8
von Martin Hundertmark
Über den Ufern des Rheins sitzt in einer Stube des Klosters St. Nikolaus in undis ein Dominikanermönch. Johannes Tauler heißt er. Angeregt von den Gedanken anderer Mystiker, wie Meister Eckhardt, ist er auf der Suche nach einem Bild, um das beschreiben zu können, was sich in der Gottesbeziehung des Menschen ereignet. Er schaut auf den Rhein und sieht wie gemächlich die Schiffe dahinsegeln.
Was haben sie wohl geladen? Ist es die lebensnotwendige Fracht, von Korn, Holz und Wolle oder bringen sie, wie so oft schon geschehen, die tödliche Seuche. Schrecklich hat sie in seiner Stadt Straßburg gewütet. Viele Tote waren zu beklagen, großes Leid hat die Krankheit gebracht.
Johannes Tauler, dem das Lied „Es kommt ein Schiff geladen“ in seiner ursprünglichen Form zugeschrieben wurde, nimmt das Bild vom vollbeladenen Schiff und entfaltet ein adventliches Gedicht mit doppelter Deutbarkeit.
1. Es kommt ein Schiff, geladen
bis an sein’ höchsten Bord,
trägt Gottes Sohn voll Gnaden,
des Vaters ewigs Wort.
Zum einen ist das Schiff Maria, deswegen findet sich die älteste Fassung auch als Marienlied. Maria trägt die teure Last des kommenden Logos, des Wortes, welches Fleisch werden will.
Andererseits, ganz im Geiste der Mystik, ist das Schiff die Seele, welche mit Gott verbunden sein will. Angetrieben von der Liebe, gehalten durch den Heiligen Geist, begibt sich die Seele auf Lebensreise.
Diese Gedanken werden unterstrichen durch die Zweiteilung des Textes der ersten drei Strophen. Das Bild wird ausgedeutet mit dem, was es für mich bedeutet. Ein voll beladenes Schiff – zunächst nichts außergewöhnliches – dann aber wird die Ladung bestimmt – Gottes Wort, sein Sohn aus Gnade für mich.
2. Das Schiff geht still im Triebe,
es trägt ein teure Last;
das Segel ist die Liebe,
der Heilig Geist der Mast.
In der zweiten Strophe wird von der Last erzählt. Die Ausdeutung durch Liebe und Heiligen Geist machen wiederum deutlich, was lebensbestimmend für mein Leben sein darf.
Als altes Glaubenssymbol dient der Anker. Festgemacht hat das Schiff.
3. Der Anker haft’ auf Erden,
da ist das Schiff am Land.
Das Wort will Fleisch uns werden,
der Sohn ist uns gesandt.
Und nun wieder die Deutung für mich:
Gottes Sohn wird mir zum Bruder.
Das Schiff kommt uns von Gottes Ewigkeit entgegen. Es trägt den Christus in sich, der festmachen möchte in meinem eigenen Leben.
Wenn man auf die Noten schaut, so sieht man schon im Notenbild das Auf und Ab der das Schiff umgebenden Wellen.
Die Melodie des Liedes ist ebenfalls zweigeteilt. Sie hebt die textlichen Gedanken hervor.
Der ruhige 6/4 Takt schlägt im zweiten Teil um in den beschwingten und fröhlichen 4/4 Takt.
4. Zu Bethlehem geboren
im Stall ein Kindelein,
gibt sich für uns verloren;
gelobet muß es sein.
Der Dichter Daniel Sudermann fügt im 17. Jahrhundert zunächst die weihnachtliche Strophe ein. Kurz und knapp wird mit wenigen Worten das Christusgeschehen erzählt. Mit zärtlichen Worten wird die Beziehung zwischen dem Gläubigen und dem Christuskind als sehr innig und liebevoll beschrieben. Über zwei weitere Strophen wird das Christusgeschehen in seiner Konsequenz entfaltet.
5. Und wer dies Kind mit Freuden
umfangen, küssen will,
muß vorher mit ihm leiden
groß Pein und Marter viel,
6. danach mit ihm auch sterben
und geistlich auferstehn,
das ewig Leben erben,
wie an ihm ist geschehn.
Text: Daniel Sudermann um 1626 nach einem Marienlied aus Straßburg 15. Jh.; Melodie: Köln 1608
Vom süßlichen Eiapopeia mögen wir uns fernhalten. Denn Glaube ohne entsprechende Werke bzw. Tat ist am Ende nur hohler Glaube. Glaube ruft vielmehr in die Nachfolge. Der kommende Christus, der den Weg aus der Höhe in die Tiefe gegangen ist, sucht Menschen in seiner Nachfolge. Er findet sie unter denjenigen, die ihm ihr Leben anvertrauen können und ganz auf ihn setzen. Es dabei geht nicht um ein Wohlfühlchristentum. Das Kind in der Krippe wartet auf Menschen, die seinen Weg mitgehen. Vor Leid und Schmerz lassen sie sich nicht schrecken, weil sie wissen, dass sie Erben eines ewigen Lebens sind. Darauf hat niemand anders Zugriff als Gott alleine. Mit dem menschlichen Antlitz des zu erwartenden Jesuskindes steht Gott dafür ein. Amen.